Samstag, 1. Januar 2011

Schneeee!

Ist es nicht traumhaft? Schon früh des Morgens wenn man mit noch mit Schlafsand verklebten Äuglein die aus welchen Gründen auch immer nächtlich geschlossene Jalousie batschert raufkurbelt und durch das eingefrorene Fenster blickt, verfliegt der Wintergroll sogar beim größten Mallorca-FKK-Fetischisten, der sich seit Tagen nur über die derzeitige Unmöglichkeit des Schlapferl-Tragens beschwert: Es hat geschneit! Auch ich eile freudig erregt beim Erkennen selbiger Tatsache wie verrückt durch die Wohnung, ziehe mindestens fünf dicke Schichten an und frühstücke hastig um möglichst schnell in die schon jenseits der Haustür beginnende weiße Herrlichkeit zu entfliehen. 

Nach geschätzten vier Schritten holt mich die Realität ein. „Herst oida, mir geht der gschissane Schnee jez scho am Oaaasch!“, spricht ein mehr als wohlgenährter Schnauzbartträger mittleren Alters mit narbiger Suffnase und handtellergroßen Augenringen weise zu seiner nicht minder charmanten Gattin, welche gütig und sich der intellektuellen Untergebenheit bewusst seiend mit: „Na geh Korli, jez reg di ned auf!“ antwortet. Diese harmonische Zweisamkeit nicht länger stören wollend, überhole ich links über die Leine des Rauhaardackel springend und stöckle über den frisch beflockten und immer weißer werdenden Asphalt weiter. 

„Na oba streun hättens scho kennan! De durn jo a nix!”, weiß ein Pelzkronentragendes in einen braunen Wildmarder-Mantel gehülltes Großmütterlein ihrer ebenso seit 20min auf die Öffnung des Eduschos wartende mit weiß bepunkteter Regenschutz-Plastik-Hauberl beglückten Gleichgesinnten mitzuteilen. Stumm kann ich dieser schlauen Dame nur beipflichten: das hättens scho riechen können, dass es nach einer Woche, wo man bei plötzlichen 20°C im Wintermantel schwitzend herumläuft, auf einmal über Nacht schneit! Und überhaupt: Warum hat der Eduscho nicht schon um 6:30h offen? Die jungen Leute wollen einfach jeglicher Arbeit entrinnen. Gut, dass uns die Betuchteren unter uns laufend darauf hinweisen.

Erzürnt über diese Missstände im Staate Österreich endlich bei der Bim angekommen zwänge ich mich zwischen wohlig vielseitig jedoch selten geschmackvoll gekleidete Menschen, die meine Geruchsknospen mit dem neuesten Lebkuchenparfum oder mit ihrem mit mittlerweile gegorenem Punsch angeschütten Mantel höchst erfreuen. Dieses Kuschelerlebnis wird erst richtig schön, wenn die Bim auf konstant 35°C geheizt ist – Zweifel, ob hier am richtigen Ort investiert wird scheinen völlig unbegründet, blickt man durch die schmutzige völlig angelaufene Scheibe nach draußen in die weiße Winterwelt des 14. Wiener Gemeindebezirkes.

Wie ein kleines Kind freue ich mich, als ich 25min später endlich aus der U-Bahn aussteigen und mich auf den besonders bei schweren Witterungen anspruchsvollsten Teil meines Arbeitsweges begeben darf: die Pflastersteine der Station VIC Kaisermühlen. Am nicht gestreuten Weg an das Eduscho-Großmütterlein denkend stöckle ich eifrig umknickend über die Abschrägung von der U-Bahn-Station zur Wagramerstraße herunter. Selten findet man so Highheels- und Seitenbandfreundliches Pflaster, das sich durchaus als Disziplin für einen Extremsport-Zehnkampf eignet. Die nach ihrer möglichst unebenen Oberfläche und Schiefheit vom Erbauer ausgewählten Pflastersteine sammeln fleißig frische weiße Flöckchen um dann dem leichtsinnigen naiven Spaziergänger ein Gefühl der Geradheit zu vermitteln. Mich nach 3 Seitenbandeinrissen je Knöchel nun doch an der mit Glatteis gestärkten Betonführung mit den Handschuhen anklammernd, rette ich mich irgendwie den Hang herunter und freue mich einfach riesig, als ich endlich unten den Gehsteig erreiche und an der Ampel im frischen Schnee eingehüllt warten darf. Schön ist der Schnee, da stört mich echt nicht mal, dass mich der um die Kurve fahrende rote Polo grad mit braunem Gatsch angespritzt hat. Nein, stört mich echt nicht. 

© Eiki